The Grossmann Family

In  den  Aarburger  Bürgerregistern  lassen sich die Vorfahren der Familie Grossmann bis ins Jahr 1585 zurückverfolgen.
 
Der  erste  Grossmann  kam  als „Hammerschmied“ nach Aarburg. Er stammte von Engstringen bei Höngg. Als er etwa 30 Jahre alt war,  verstarb  sein  Meister,  und  er  ergriff  die Gelegenheit und heiratete dessen Witwe, die wohl keine  Altlast  gewesen  ist,  denn  sie  gebar  ihm  ein  Jahr  später  unseren  nächsten Vorvorfahren,  der  ebenfalls  als  Schmied  tätig  war.  Die  nachfolgenden  Generationen bringen Berufe des Bäckers und des Chirurgen mit zahlreichen kommunalen Ämtern wie Weibel,  Almosner,  Sigrist,  Sanitätsinspektor,  Leutnant  und  Gemeinderat.  Schon  die fünfte  Generation  ist  mit  Emanuel  (1716  -  1798)  in  der  Textilbranche  tätig.  Er  war Leinenweber, Färber und Bleicher, hatte also schon einen mehrstufigen handwerklichen Produktionsbetrieb, wohl in Form einer Manufaktur, wie sie Mitte des 18. Jahrhunderts üblich war. Bleichen und Färben hätte sich für die Eigenproduktion kaum gelohnt, so dass anzunehmen ist, dass er auch fremdproduzierte Ware ausgerüstet hat. 
 
Sein  Sohn  Johann  Jakob  (1754  -  1838)  wird  dann  schon  als  Baumwollfabrikant bezeichnet.  Er  betrieb  eine  Baumwollspinnerei,  eine  mechanische  Weberei,  Färberei, Bleicherei und Appretur und galt als wesentlicher Wirtschaftsfaktor des jungen Kantons  Aargau, der sich in der Helvetik von der drückenden Herrschaft der hohen Herrn von Bern gelöst hatte - wobei unser Vorfahr Johann Herzog aus Aarau, der berühmte Duc d’Effingue  in  Paris  und  Wien  diplomatische  Geburtshilfe  geleistet  hat.  Aber  erst  zwei Generationen später wurden die Nachkommen dieser beiden verheiratet. 
 
Zwischenzeitlich betrat  Johann Rudolf Grossmann-Fehlmann  (1790 - 1837) 

die  Bühne unter  dessen  Führung  die  Firma  in  Aarburg  an ihre Grenzen

stieß und 1837 ins badische Ausland expandierte. Ihm wurde von seinen

Kindern nicht nur   ein   Grabmal,   sondern   ein   regelrechtes Denkmal

gesetzt.  Wer 1843 mit dem „Manuel du Voyageur en Suisse“ die Schweiz

bereiste, konnte über die Stadt  Aarburg lesen:  « Elle a de nombreuses    

Manufactures ; celles  de  M. Grossmann sont surtout remarquables » 

und in der Kantonsbeschreibung von 1844: „Großartig sind die Anlagen

der Grossmannschen Fabrik, die  mechanische  Baumwollspinnerei, 

Cottonmanufactur,  Blau-  und  Türkischrotfärberei, dadurch werden

große Mengen Arbeiter beschäftigt.“
 
Ins Wiesental zog dann auch 1855 Emil Grossmann-Herzog (1821 - 1897). Er war mit 3 Brüdern in der Firma Gebr.Grossmann in Brombach tätig. Eine Spinnerei in Lörrach kam hinzu, aber 1866 kam die Katastrophe als frühe Folge der Globalisierung. Nach dem amerikanischen  Sezessionskrieg  und  der  folgenden  Baumwollkrise  musste  Emil  aus  der Firma ausscheiden. Er machte noch einen Versuch in Wieslet im kleinen Wiesental, war aber  auch  hier  glücklos,  so  dass  er  mit  7  Kindern  in  die  Vereinigten  Staaten,  nach Missouri, auswanderte, von wo er auch bald unverrichteter Dinge wieder zurückkehrte.
Der Sohn Emil war derweil in Europa geblieben und absolvierte dort seine Ausbildung. 
 
Das  Ausscheiden  des  ersten  Emil  hatte  einschneidende  Folgen.  Sein  Sohn,  Emil Grossmann-Wenner,  war  zeitlebens  als  Angestellter  tätig,  und  dass  er  es  bei  seiner Verwandtschaft war, war offenbar besonders drückend. Sein früher Tod mit 56 Jahren wird  auf  diese  psychische  Belastung  und  Arbeitsüberlastung  zurückgeführt.  Das Unternehmen war eines der größten in Baden und beschäftigte vor dem 1. Weltkrieg bis 1500 Arbeiter.
 
Seine Mutter, die schöne Adele Herzog, deren Bild uns noch heute fasziniert, war damals   wohl   eine   der   besten   Partien,   die   es   im   Milieu   der   schweizerischen Textilindustriellen gab. Deshalb heirateten auch 2 Brüder Grossmann 2 Fräulein Herzog. Ihr Großvater Johann Herzog soll bis zu 3500 Arbeiter bzw. Familien beschäftigt haben und  herrschte  auf  seinem  so  genannten  „Herzogtum“  in  Aarau  als  Führungsfigur  des
neuen Kantons Aargau. Dort empfing er auch 2 Monarchen, nämlich den russischen Zaren und den König von Württemberg. In diesem Zusammenhang muss auch das Gerücht von der  königlichen  Abkunft  der  Adele  Herzog  dementiert  werden.  Der  königliche  Besuch erfolgte  ca.  15  Jahre  nach  ihrer  Geburt  und  hinterließ  als  Spur  nur  eine  silberne Teekanne, die immer noch existieren soll.  Das  Ausscheiden  des  ersten  Emil  aus  dem  Familienunternehmen  bewirkte  einen Bruch mit dem bisherigen Milieu, in dem alle großen Textilerfamilien der Schweiz unter sich gewesen waren. Deshalb schreibt sein Enkel Emil Grossmann-de Chapeaurouge: „Wir schätzen ihn nicht allzu sehr. Er kam uns mürrisch und wortkarg vor. Er lebt in unserer Erinnerung  weiter  als  ein,  wohl  infolge  der  vielen  Fehlschläge  seiner  Vergangenheit etwas  verschlossener  Charakter,  aber  trotz  allem  hatte  er  für  uns  stets  etwas Achtunggebietendes und gemäß seiner Abstammung Distinguiertes.“

 

 Text : Dr. Friedrich Vortisch

Aarburg, Mai 2008